Biofilm – der Anfang allen Übels

Haben Sie sich nicht auch schon gefragt, warum Sie denn so viele Füllungen, Kronen und andere Reparaturmaßnahmen im Mund haben? Sie gehen regelmäßig zum Zahnarzt, und trotzdem gibt es immer wieder eine neue Karies, Zahnfleischbluten und andere Probleme. Der Grund liegt im System. Wir betreiben in unserem Land, eine sehr hochwertige Reparaturmedizin. Dies bedeutet, Schäden werden repariert, und dies mit sehr hohem Standard, die Ursache bleibt bestehen. Diese Ursache ist ein bakterieller Belag, der so genannte Biofilm.

Schon Minuten nach dem Zähneputzen entsteht erneut ein sogenanntes Schmelzoberhäutchen auf der Zahnoberfläche, Fachbegriff Pellikel. An dieses Schmelzoberhäutchen heften sich in der Folge Bakterien an. Über Stunden und Tage wird die Bakterienschicht immer dicker, bis schließlich mit bloßem Auge eine Belagschicht zu erkennen ist. Fachleute sprechen in diesem Stadium von reifer Plaque bzw. von einem Biofilm. Eine Vorstife des Karies.Der Biofilm ist eine Gemeinschaft von Mikroorganismen. Um sich einen Biofilm vorstellen zu können, hilft es ein Beispiel aus der Natur heranzuziehen. Die schleimige Schicht, die man auf Steinen in Flüssen und Bächen findet, ist nichts anderes als ein Biofilm. In der Natur finden sich überall Biofilme. Nicht alle sind schlecht. Sie werden für die Reinigung unserer Abwässer in Kläranlagen verwendet und reinigen in Aquarienfiltern das Wasser. In unserem Darm gibt es mehr Mikroorganismen als Darmzellen, die maßgeblich an unserer Verdauung beteiligt sind. Auch die Bakterien unserer Mundhöhle sind an sich nicht schädlich. Sie besiedeln unsere Schleimhäute und schützen uns vor fremden Erregern. Auf der Schleimhaut direkt können sich keine großen Biofilme ansiedeln, da diese abschilfern. Auf diese Weise wird die Anzahl der Bakterien immer wieder von alleine verkleinert. Auf den Zähnen ist die Situation ganz anders. Die Zähne schilfern nicht ab. Daher bleibt der Biofilm auf ihnen und kann größer und größer werden.

Wie baut sich dieser Biofilm auf?

Damit sich ein Biofilm bildet, benötigen die Bakterien eine Fläche, Wasser und Nährstoffe. Es gibt Bakterien, die sich wie Siedler auf den Zähnen anheften. Sie bauen eine dreidimensionale Struktur auf, in die sie sich zurückziehen können. Diese Struktur (Matrix) besteht vereinfacht gesagt aus Wasser, Kohlenhydraten, Eiweißen und Fetten. Der gesamte Biofilm besteht nur zu 15-20% aus Bakterien. Der Rest wird aus der Struktur (Matrix) des Biofilmes geformt. In diesen Biofilm lassen sich ganze Gruppen von Mikroorganismen als Bakterienfamilien nieder. Dabei bietet der Biofilm den Bakterien mechanischen Schutz und stabile Lebensbedingungen. Es bildet sich eine Bakterienstadt, mit einer vollständigen Infrastruktur. Stoffwechselprodukte der Mikroorganismen finden sich im Biofilm wieder. Darunter auch Stickstoff, Kohlendioxyd und Methan.

Welche Vorteile hat der Biofilm für die Bakterien?

Gegen Bakterien in Biofilmen sind Antibiotika häufig machtlos. Der Biofilm stellt für das Antibiotikum ein mechanisches Hindernis dar. Zusätzlich herrscht im Biofilm ein anderer pH-Wert als es Antibiotika für die Entfaltung ihrer Wirkung benötigen. Dadurch haben Bakterien im Biofilm eine 1000-1500fach höhere Resistenz gegenüber Antibiotika als alleinige Bakterien. In Zeiten der Nahrungsknappheit dient der Biofilm für die Bakterien als Nahrungs- und Wasserspeicher, den sie verstoffwechseln können. Der Biofilm dient auch als Schutzwall gegen giftige Substanzen, gleichzeitig bietet er die Möglichkeit, Nährstoffe, Gene und Botenstoffe auszutauschen. Die Bakterien haben die Möglichkeit Informationen im Biofilm auszutauschen. Diese sehr einfache Form der Kommunikation funktioniert über Botenstoffe. Auch Erbinformationen können auf diesem Wege weitergereicht werden. Dies sichert den Bestand des Biofilmes, und erhöht die Resistenzbildung. Der Biofilm enthält Kanälchen, durch die Nährstoffe zugeführt, und Ausscheidungsprodukte abgeführt werden können.

Welche Bedeutung haben Biofilme für den Menschen?

Beim Säugling beginnt die Besiedelung der Mundhöhle mit Bakterien durch das Einatmen von Luft und die Aufnahme von Nahrung. Durch das Ablecken von Löffeln durch die Eltern, kommt es auch zur Übertragung von Kariesbakterien. Die Besiedelung dient dem Körper als erste Barriere gegenüber eindringenden schädlichen Keimen in das Körperinnere. Von Mensch zu Mensch ist die Zusammensetzung der Mundflora sehr unterschiedlich. Von den reifen Biofilmen an den Zähnen können sich Biofilmbruchstücke als Flocken ablösen, die an anderen Zähnen hängen bleiben und sich dort ansiedeln. Die Zahnzwischenräume sind Nischen in welche sich solche Flocken gerne einnisten. Teile des Biofilmes können abreißen, was zur Verschleppung des Biofilmes führt. Gelangen solche Flocken in die Blutbahn, kann dies ernste Folgen nach sich ziehen. Beim Menschen finden sich Biofilme auf der Haut, in der Mundhöhle, im Urogenitalbereich und im Magen-Darm-Trakt. Zusammengezählt tragen wir ungefähr 1,5 Kg Bakterien mit uns herum. Unser Immunsystem benötigt in den ersten Lebensjahren unschädliche Keime um reifen zu können. Diese werden so zu sagen zu Übungsobjekten für unser Immunsystem. Ebenso brauchen wir die Bakterien bei der Verdauung. Gerne nisten sich Biofilme auf Prothesen, Implantaten und Kathetern ein, was sehr unangenehm oder gar lebensbedrohend werden kann. Da es auf Grund der Biofilme zu immer mehr Resistenzen gegen Antibiotika kommt, häufen sich die Komplikationen und treten immer häufiger Probleme mit Keimen auf, die uns eigentlich ansonsten nicht gefährlich wären.

Was kann man gegen die Biofilme tun?

Es gibt viele Möglichkeiten Biofilme zu bekämpfen. Zum Beispiel weiß man heute, dass Legionellen in Biofilmen Gifte produzieren, welche beim Einatmen sehr stark gesundheitsschädlich sind und sogar zum Tode führen können. Daher werden Wasserboiler auf einer Temperatur von mindestens 60° Celsius gehalten, um keine Entwicklung von Legionellen zuzulassen. In der Mundhöhle gibt es mehrere Strategien, um gegen Biofilme vorzugehen. Zunächst gibt es die mechanischen Mundhygienemaßnahmen, wie die häusliche Zahnpflege der professionellen Zahnreinigung und der Entfernung von Zahnstein mit Ultraschall. Zusätzlich gibt es noch die chemischen Maßnahmen um die Bakterien des Belages zu schädigen. Diese sind das Chlorhexidin, Aminfluorid und Zinnfluorid und ätherische Öle. Chemische Maßnahmen machen nur dann einen Sinn, wenn der Biofilm größtenteils entfernt ist und die Wirkstoffe auf dünne Schichten von restlichem Biofilm einwirken können. Die Chemikalien bewirken dort eine Störung der Stoffwechselvorgänge der Bakterien, oder töten die Mikroorganismen durch das Zerstören ihrer Zellwände.

Ein Ausblick in die mögliche Zukunft:

Es gibt Ansätze in der Forschung, in denen versucht wird die Kommunikation durch Botenstoffe zu unterbinden, so dass sich die Bakterien nicht mehr anpassen, und keine Resistenzen mehr weitergeben können. Ein weiterer Ansatz ist, die Zähne mit abschilfernden Substanzen zu lackieren, die einen so genannten Lotus-Effekt bewirken, um den Biofilm am Anlagern an der Zahnsubstanz zu hindern.

Biofilme umgeben uns überall in unserem Leben. Nicht alle Biofilme sind schädlich, doch viele können sich zu einer ernsten Bedrohung für unsere Gesundheit entwickeln. Gerade im Mund versucht man mit verschiedenen Ansätzen den Biofilmen zu begegnen. Bei allen Ansätzen gilt jedoch, dass jedes noch so gute Medikament, nur die Oberfläche des Biofilmes erreicht. Die Bakterien im Zentrum bleiben meist unversehrt. Daher ist es unerlässlich den Belag immer wieder mechanisch zu zerstören, wie dies bei der professionellen Zahnreinigung geschieht. Die Bakterien sind in der Lage den zerstörten Biofilm immer wieder erneut aufzubauen. Daher werden heute Intervalle zwischen 2 bis 4 professionelle Zahnreinigungen empfohlen. Nur auf diese Weise lässt sich verhindern, dass die Dichte der Bakterien keine schädlichen Dimensionen annimmt.

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